Nachhaltiger leben und wirtschaften

Rückblick auf einen äußerst interessanten Abend

Am 6.5.2024 fand in der Begegnungsstätte in Ehningen auf Einladung des Ortsverbandes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein Vortrags- und Diskussionsabend mit dem Theologen und Volkswirt Martin Priebe statt, der nicht zuletzt wegen vielfältiger Werbung gut besucht war.

In seiner Begrüßung und Eröffnung stellte Stefan Baten, der diesen Abend organisiert hatte, den Vortrag in den Kontext des Erdüberlastungstages, der nach Berechnungen von Global Footprint Networks am 2. Mai stattfand und den Tag kennzeichnet, in dem Deutschland bereits alle nachhaltig nutzbaren Ressourcen des Jahres 2024 aufgebraucht hatte und an dem die Emissionen die Grenzen des ökologisch Vertretbaren bereits überschritten hatten. Seit dem 3. Mai leben wir in Deutschland auf Kosten von Menschen anderer Länder und zukünftiger Generation. Es wurde angemerkt, dass in diesem Zusammenhang natürlich die Politik auf allen Ebenen bis hin zur Kommunalpolitik die richtigen Rahmenbedingungen setzen muss, dass Unternehmen die richtigen Produkte anbieten müssen. Aber es ist auch jede und jeder einzelne gefordert. Es gibt abseits der Politik individuelle Handlungsmöglichkeiten, die man kennen und nutzen sollte.

Genau hierauf zielte dann der Vortrag von Martin Priebe ab. Ausgehend von der Fragestellung, in welcher Welt wir zum Beispiel vor dem Hintergrund von Massentierhaltung, Abholzung von Wäldern, vermehrter Trockenheit, extremer Wetterereignisse leben wollen, nahm er die Zuhörer zunächst mit in das frühe 18. Jahrhundert, wo erstmals der Begriff der Nachhaltigkeit in einem Aufsatz von Hans Carl von Carlowitz auftauchte. In diesem riet er, alte Kleider nicht wegzuwerfen, bevor man neue hat, und im Wald nicht mehr abzuholzen, als natürlicherweise sich bereits im Wiederwuchs befindet. Lange Zeit, so Priebe, verschwand dann dieses nachhaltige Denken von der Oberfläche, bis es in den 70er Jahren vor dem Hintergrund der zunehmenden Umweltzerstörung von den Vereinten Nationen und durch die Brundtland-Kommission wieder auf die Tagesordnung gesetzt wurde und auch in die Wissenschaft stärkere Beachtung fand.

Die sich entwickelnde Nachhaltigkeitstheorie wurde zunächst auf den drei Säulen der Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft aufgebaut. Erst später wurde als viertes und diese drei Säulen verbindendes Element der Aspekt der Generationengerechtigkeit in die Theorie eingebunden. Sehr deutlich wurde anhand von statistischen Daten bezüglich des Entwicklungsstandes verschiedener Länder und deren ökologischen Fußabdruckes der Zusammenhang zwischen exponentiellem Wachstum und den zunehmenden globalen Herausforderungen in Bezug auf den Klimawandel aufgezeigt. Die Schlussfolgerung: Aus ethischen Gründen können quantitative Wachstumsziele nur noch für Länder vertreten werden, die die elementaren Lebensbedürfnisse ihrer Einwohner noch nicht sicherstellen können.

Aufbauend auf diese eher theoretischen Überlegungen arbeitete Martin Priebe in seinem Vortrag vier Ebenen der Verantwortlichkeiten heraus: Institutionenethik, Organisationsethik, Sozialethik und Individualethik. Es wurde deutlich, dass nachhaltiges Handeln nicht nur eine individuelle, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche und politische Aufgabe ist. Die höchsten Freiheitsgrade bezüglich Handlungsoptionen sind jedoch auf der Individualebene gegeben: Jede und jeder kann heute entscheiden, erste Schritte im Alltag zu unternehmen, um nachhaltiger zu leben.

Sehr interessant für die konzentriert und zugleich nachdenklich dem Vortrag folgenden Zuhörer:innen waren dann die konkreten Beispiele, die Martin Priebe im Bereich von Mobilität (Stichwort Carsharing und Nutzung des ÖPNV), Konsum (aktive und passive Nutzung von Second Hand Shops), Auswahl der Hausbank auf Basis der ethischen Ausrichtung der Kapitalanlage, Auswahl des Mobilfunkanbieters auf Basis der Zugehörigkeit zum Bundesverband Nachhaltiger Wirtschaft e.V. usw. Grundsätzlich gilt es in diesen Bereichen folgende Reihenfolge einzuhalten: Vermeiden ist besser als Reduzieren, Reduzieren ist besser als Kompensieren.

In der sich anschließenden Diskussion wurden einige Fragestellungen zum Beispiel zur Qualität des ÖPNV als Voraussetzung zum Umstieg oder die Sinnhaftigkeit von geplanten Gebäudeabrissen auf dem ehemaligen IBM Areal vertieft. In den Redebeiträgen wurde der Grundkonsens deutlich, dass ein Umdenken und Handeln auf allen Ebenen erforderlich ist. Die Erfüllung unserer Bedürfnisse muss sich daran orientieren, dass sie die Erfüllung der Bedürfnisse zukünftiger Generationen nicht gefährden darf. Es geht in erster Linie darum, nicht nachhaltig, sondern nachaltiger zu leben als bisher, die damit gemachten Erfahrungen zu teilen und so andere davon zu begeistern mitzumachen. Es geht darum, die durch nachhaltiges Leben zusätzlich gewonnenen Freiheiten zu erkennen, wertzuschätzen und als Bereicherung zu erleben.

Mit einem herzlichen, abschließenden Applaus bedankten sich die Zuhörer bei Martin Priebe für eine sehr informative, interessante und anregende Präsentation und bei Stefan Baten stellvertretend für den Ortsverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die Organisation und Vorbereitung dieses Abends. Natürlich durfte ein kleines Abschiedsgeschenk für den Referenten nicht fehlen: Martin Priebe freute sich über eine schön dekorierte Flasche lokalen Sekt und einen Bausatz für einen solargetriebenen Ventilator, der ihm hoffentlich hilft, die noch kommenden heißen Sommertemperaturen mit kühlem Kopf zu meistern. In kleineren Runden wurde dann bei kühlen Getränken weiter diskutiert – insgesamt war dies für alle ein sehr bereichernder Abend.