Rede zum Gemeindehaushalt 2019 von Harald Bürkle, Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen und Aufwind

Montag, 11. März 2018, Haushaltsrede 2019

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Haushaltsplanung in Ehningen erfolgt 2019 zum dritten Mal nach dem System der Doppik.
Die Kameralistik ist Geschichte, die kaufmännische doppelte Buchführung, Bilanzierung und die in der Betriebswirtschaft etablierten Planungs- und Steuerungsprozesse halten Einzug.
Das ist gut so und hilft Bürgern, Gemeinderäten und Verwaltung bei der Zusammenarbeit, beim Informationsaustausch und der weiteren Professionalisierung.
Hilfreich dabei war die Schulung in der neuen Haushaltssystematik, die von der Verwaltung für den Gemeinderat organisiert wurde.
Hilfreich für alle Beteiligten und Interessierten ist es, wenn Informationen digital und idealerweise öffentlich und online verfügbar sind. Den Entwurf des HH-Planes haben wir auf Antrag unserer Fraktion digital erhalten – vielen Dank dafür an das Rathausteam, das dies ermöglichte. Wichtig ist, dass künftig sowohl der Entwurf als auch der verabschiedete HH-Plan auf der Homepage der Gemeinde veröffentlicht wird.
Zu den Finanzen
Die Gewerbesteuereinnahmen in Ehningen sind auf der Einnahmeseite ein Segment, welches uns immer wieder vor Herausforderungen stellt.
Im Vorbericht zum HH-Plan 2018 wurde ausgeführt, dass der Ansatz im HH 2017 wegen unerwarteter Effekte drastisch auf 1,5 Mio. reduziert werden musste; im Verlauf des Jahres 2017 kam es dann doch zu viel höheren Zahlungen/ Korrekturen, so dass im Ergebnis über 9 Mio. zu Buche stehen.
Für 2018 waren dann 6,2 Mio. EUR geplant, nun ergaben sich tatsächliche Gewerbesteuerzuflüsse in Höhe von 25 Mio. EUR. Für 2019 sind 9 Mio. EUR Gewerbesteuereinnahmen geplant. Welcher Ist-Wert sich wohl am Ende ergibt?
Hier können wir an die Verwaltungsspitze nur appellieren, im engen Dialog mit den wichtigen Gewerbesteuerzahlern zu versuchen, eine möglichst große Planungssicherheit zu erzeugen und über unerwartete Änderungen möglichst frühzeitig informiert zu werden. In einer konstruktiven Partnerschaft zwischen Kommune und Betrieben sollte es hierfür Verständnis geben.
2020 wird erstmals ein positives Gesamtergebnis erwartet, d.h. im Ergebnishaushalt können alle Aufwendungen inkl. der Abschreibungen aus den laufenden Erträgen gedeckt werden. Rückblickend sollte sich bereits für 2018 ein positives Ergebnis einstellen, da die Gewerbesteuereinnahmen, wie erwähnt, deutlich höher als geplant ausfielen.
Die Abschreibungen aus den laufenden Erträgen decken zu können – zumindest im gleitenden mehrjährigen Durchschnitt – ist eine wesentliche Maxime der soliden Haushaltsführung. Hier sind wir auf einem guten Weg.
Um dies nachhaltig sicherzustellen muss solide und professionell geplant werden. Denn es gibt einerseits die aktuell gute Einnahmenentwicklung – neben der GewSt auch bei der ESt -, doch andererseits bestehen erhebliche Unsicherheiten und etliche in ihrem Finanzbedarf noch unklare Anforderungen und Projekte.
Auf der Seite der Aufwendungen sind die Personalkosten eine wesentliche Komponente. Selbstverständlich hängt der Personalbedarf u.a. mit der Entwicklung der Einwohnerzahl zusammen, genauso mit der Bevölkerungsstruktur. Die Einwohnerzahl stieg von 2010 bis 2018 von 7.951 auf 9.149 Personen, ein Anstieg um 15 %; die Personalausgaben stiegen im gleichen Zeitraum von 4,3 Mio. auf 8,25 Mio., ein Anstieg um 92 %; für 2019 sind Personalausgaben in Höhe von 8,9 Mio. geplant. An dieser Stelle keine voreiligen Interpretationen – doch hier muss genau geprüft und analysiert werden.


Bei den Investitionen sind mehrere Dimensionen zu betrachten

a) Finanzierungsbedarf: hier ist Ehningen im Bereich der Kreditfinanzierung wegen der bestehenden hohen Verschuldung bis auf weiteres eingeschränkt. Damit müssen Projekte aus vorhandenen liquiden Mitteln gestemmt werden. Eine Auslagerung z.B. eines Umlegungs- und Erschließungsprojektes an einen externen Dienstleister als Finanzierungsweg ohne Kreditaufnahme muss wegen des Transparenzgebotes in geeigneter Form als Verbindlichkeit in der Haushaltsplanung aufgezeigt werden.

b) Abschreibungen: die aus Investitionen resultierenden Abschreibungen sollen im Sinne der oben erwähnten Maxime durch die Erträge gedeckt sein; so ergibt sich das erforderliche Innenfinanzierungspotential für den Werterhalt bzw. die Schaffung von Gemeindevermögen.

c) Laufende Kosten: die Kosten für den Betrieb unserer Investitionen sind im Ergebnishaushalt zu berücksichtigen. Ökologisch verträgliche und nachhaltige Umsetzungen sind uns wichtig, zumal sie im günstigen Fall auch wirtschaftlich vorteilhaft sind, in jedem Fall aber durch weniger Ressourcen- und Energieverbrauch punkten.

Bewertung und Empfehlungen

Solide Planung, dadurch möglichst weitgehende Reduktion von Unsicherheit, des Weiteren die Bildung von Rücklagen sind die Voraussetzung für strategische Entscheidungen und zukunftsweisende kommunale Projekte – sowie für etwaige Senkungen von Steuern und sonstigen Abgaben, die bei dauerhaften Überschüssen geprüft werden müssen.
Auf der Einnahmeseite muss bei der Gewerbesteuer berücksichtigt werden, dass die großen Betrieb am Ort aktuell und in der näheren Zukunft viel investieren, was im Sinne der Standortsicherung sehr positiv zu werten ist, zugleich aber auch hohes Abschreibungs- und Aufwandspotential und damit Druck auf den Gewerbeertrag mit sich bringt.
Angesichts des Bestandes an kommunaler Infrastruktur sowie der anstehenden Investitionen muss analysiert und fortgeschrieben werden, welche Belastungen aus Abschreibungen und laufenden Kosten auf unseren Ergebnishaushalt zukommen. Hier sehen wir Verbesserungspotential, etwa eine Aufwands-/ Ertragsvorschau in den Teilhaushalten auf die nächsten drei bis fünf Jahre.
In der Vergangenheit wurde zu offensiv investiert, Projekte wurden teilweise zu teuer umgesetzt, zu wenig Rücklagen wurden gebildet; trotz hoher Einnahmen geriet Ehningen in eine massive Verschuldungssituation und wird dadurch u.U. von günstigen Kreditkonditionen ausgeschlossen.
Einige Defizite müssen jetzt endlich beseitigt werden: die Jahresrechnung 2017 und die Eröffnungsbilanz 2017 liegen immer noch nicht vor; deshalb haben wir im Haushalt 2019 keinen Vergleich mit dem Ist 2017; wegen des Wechsels auf die Doppik fehlte uns der Vergleich zum Vorvorjahr bereits 2017 und 2018.
Wir plädieren für die Erweiterung des Haushaltsplans um eine Bilanz, die Vermögen und Schulden zeigt. Darüber hinaus eine Haushaltskurzinfo mit Angaben zu Investitionen im Haushaltsjahr, geplanten Investitionen in Folgejahren, zu dem Schuldenstand, den Kosten wichtiger Einrichtungen, den Eckdaten zu Finanz- und Ergebnishaushalt.
Für die nähere Zukunft wünschen wir uns den Einstieg in die in der kommunalen Doppik mögliche “Produktsicht”: dadurch werden Erträge und Aufwendungen z.B. zur einzelnen Kindertageseinrichtung oder Sportstätte sichtbar.

Wichtige Projekte und Herausforderungen – unsere Empfehlungen und Anmerkungen
Ehningen steht in den nächsten 10 Jahren vor erheblichen Investitionen. Damit ergibt sich ein sehr großes finanzielles Volumen, das planerisch berücksichtigt werden muss. Und es gilt, wohlüberlegt zu entscheiden, um in Abwägung aller Interessen und Bedarfe Ehningen weiterzuentwickeln und jederzeit handlungsfähig zu bleiben

Zum Abschluss ein kurzer Blick auf einige der in den nächsten Jahren anstehenden Projekte und Herausforderungen:

Rettungszentrum: Im HH-Plan 2018 mit 5 Mio. EUR, im HH-Plan 2019 mit 8 Mio. EUR veranschlagt. Wie hoch ist der Investitionsbedarf? Sind es möglicherweise über 10 Mio. EUR? Hier muss professionell und so wie es vielerorten üblich ist, vorgegangen werden: räumliche und funktionale Bedarfsanalyse zusammen mit Experten. Auf dieser Grundlage kann in einen Planungswettbewerb oder in eine Mehrfachbeauftragung zur Planung gegangen werden. Danach wird mittels Kosten-/ Nutzenvergleich die beste Lösung bestimmt.

Kinderhaus Herrenberger Straße: Im HH-Plan 2018 noch nicht veranschlagt; im HH-Plan 2019 mit 4,6 Mio. EUR veranschlagt. Bei der ersten Vorstellung im Gemeinderat war noch von 2,5 Mio. die Rede. Es wurde leider versäumt, vor der Planungsbeauftragung eine Bedarfsanalyse durchzuführen, auch ein Ideenwettbewerb fand nicht statt.

Bestandsgebäude altes Schulhaus FKS: Die Sanierung ist im HH-Plan 2019 mit 8 Mio. EUR für die Zeit nach 2022 eingeplant; hier muss ebenfalls der Bedarf genau geprüft werden, um eine möglichst kostengünstige und dafür gerne deutlich frühere Umsetzung zu ermöglichen.

Breitbandausbau: Dieser ist bei den Investitionen nicht abgebildet. Hier brauchen wir von der Verwaltung eine
Umsetzungs- und Investitionsvorschau. Gleiches gilt für die weitere Erneuerung des Wasserleitungsnetzes.

Kinderbetreuung: Weitere Einrichtungen sind bei den Investitionen nicht abgebildet – werden aber erforderlich sein. Wir brauchen eine Bedarfs- und Flächenanalyse mit Prognosen für die nächsten Jahre, die als Grundlage für ein ganzheitliches Raumkonzept, in dem Synergien sichtbar werden, dient.

Sanierung alte Sporthalle Schalkwiesen: Unsere Anforderungen: Es soll eine Photovoltaik-Installation auf dem Dach sowie endlich der Austausch der alten Beleuchtung in der Halle durch energiesparende LED-Technik vorgesehen werden.

Hochwasserschutz: Die Kosten für den Grundstückserwerb im Maurener Tal werden teilweise von Ehningen allein getragen (Aufpreis an die Verkäufer über den vom Zweckverband getragenen Quadratmeterpreis). Hier braucht es Transparenz zum erforderlichen Finanzbedarf

• Personalkosten, Personalbedarf, Organisationsentwicklung: Im Kinderbetreuungsbereich wird es zu einem weiteren Anstieg der Personalkosten kommen, wobei das Tempo der Steigerung deutlich zurückgehen sollte. Auch bei den Personalkosten außerhalb des Kinderbetreuungsbereiches gab es deutliche Steigerungen, z.B. von 2017 bis 2019 von 3,8 Mio. auf 4,1 Mio. (+9,47 %). Das Einwohnerwachstum wird sich verlangsamen und der Verwaltungsaufwand steigt nicht linear zur Bevölkerungsgröße. Außerdem gehen wir von weiterer Digitalisierung und Optimierung von Verwaltungsprozessen aus; ein Schritt hierzu wird die Einführung eines Rats-Informationssystems und der durchgängig digitalen Bereitstellung und Verwaltung der Sitzungsunterlagen sein.

• Mit neuen technischen Möglichkeiten einher geht auch die Tendenz zur Arbeit im Home-Office sowie zu flexiblen Arbeitsplatz- und Raumkonzepten. Diese Trends und Veränderungen sind für eine Personal-, Arbeitsplatz- und Raumplanung zu berücksichtigen

Rathausmodernisierung und -erweiterung: Hier sind die vorstehend genannten Punkte relevant, weshalb wir für die Beauftragung eines Fachbüros zur Untersuchung der Entwicklung von Verwaltungsaufgaben und des einhergehenden Personal- und Raumbedarf plädieren

• Ebenso relevant für unser Rathaus im Zentrum von Ehningen sind die Überlegungen zur Ortskernbelebung, zu den historischen Gebäuden, zur Ortsentwicklung insgesamt. Die Ideen aus der Bürgerbeteiligung und der involvierten Experten sollen genutzt werden. Zum weiteren Vorgehen beim Rathaus und den anliegenden Grundstücken und Gebäuden verweisen wir auf die sehr guten Vorschläge aus der Beteiligungsgruppe Historische Gebäude

• Wirtschaftsförderung: Wir wollen dafür sorgen, dass es für ein breites Spektrum von Handel und Dienstleistungen interessant ist, sich im Ortskern anzusiedeln. Ein positives Zeichen ist, dass die HH-Mittel zur Wirtschaftsförderung auf unseren Antrag erhöht wurden

Finanzieller Handlungsspielraum ist auch erforderlich, um weitere Angebote insbesondere für Jugendliche zu schaffen – neben der sehr guten kommunalen Jugend- und Sozialarbeit, die unbedingt in dieser Qualität fortgeführt werden soll.

Fazit
Die Liste der Themen ließe sich lange fortsetzen – und damit sind stets auch finanzielle Planungspositionen für den Gemeindehaushalt verbunden.
Wir können nicht alles gleichzeitig machen, und das, was wir machen, müssen wir gut durchdacht, sozial, finanziell und ökologisch verträglich machen.
Wir haben Gestaltungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume.
Wir haben hervorragende Menschen mit vielen Ideen, Expertise und Engagement – in der Bevölkerung, in der Bürgerbeteiligung, in der Verwaltung, im Gemeinderat.

Gemeinsam können wir viel erreichen. Und das auch ohne die Natur weiter zurückzudrängen und weiter große Flächen zu versiegeln.
Uns Grünen ist es wichtig, dass wir dort, wo wir in die Natur eingreifen, mindestens gleichwertigen Ausgleich schaffen. Wenn wir es schaffen, in den bereits erschlossenen Flächen unsere Gewerbebetriebe zu bedienen, dann wären wir froh; wir würden gerne auf ein neues Gewerbegebiet im Leimental verzichten – auch finanziell würde dadurch der Druck reduziert.
Wir wollen den Naturschutz voranbringen – z.B. durch die Ausweitung und bessere Pflege von Naturschutzgebieten.
Wir wünschen uns ein städtebauliches, soziales Leuchtturmprojekt an der Nordseite der Bahnhofstraße – mit einer Gesamtkonzeption von der westlichen Unterführung bis zum Flüchtlingswohnheim.
Wir freuen uns auf diese Herausforderungen gemeinsam mit Ihnen im Saal, der gesamten Verwaltung, den Bürgern und der Bürgerbeteiligung.

Last but not least: vielen Dank an Herrn Widenmaier, Frau Wolz, an das gesamte Team in der Kämmerei, an die gesamte Verwaltung für die Haushaltsplanung 2019, für die Beantwortung der Fragen aus dem Gremium und die stete Bereitschaft, dem Gemeinderat zu unterstützen und zu beraten. Haushaltsplanung ist nie fertig, wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit und gemeinsame Optimierungen

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!